Die Zehn Gebote Vol. 2

Die «Zehn Gebote Vol. 2» von Frank und Patrik Riklin

Nach rund neun Jahren Dornröschenschlaf wird das Hallenbad Degersheim seit Mitte Mai 2023 wieder genutzt. Nur temporär zwar und ohne Wasser, wurde es zu einem Raum der Kunst. Im Rahmen eines Kunstasyls gewährt es den «Zehn Geboten Vol. 2» der Riklin-Brüder vorübergehend Unterschlupf. Die in Englisch verfassten Gebote sollen die Leser zum Überdenken ihres Handelns und Denkens anregen.

Im Corona-Jahr 2020 haben die beiden St.Galler Kunstschaffenden Frank und Patrik Riklin auf dem Klosterplatz in St.Gallen in 10 Sandstein-Tafeln je eine gedankenanregende These eingemeisselt, so wie einst Moses seine 10 Gebote festhielt. Entsprechend nannten die beiden Künstler ihr Werk die «Zehn Gebote Vol. 2» und versenkten die Steinplatten anschliessend in der Limmat in Zürich. Ohne Bewilligung. In der Folge wurde verfügt, dass die Steintafeln wieder geborgen werden müssen, was auch geschah. Doch wohin nun mit den Tafeln? Nachdem sie ein Jahr lang im Museum für Kommunikation in Bern beheimatet waren, finden sie nun im ehemaligen Hallenbad in Degersheim eine neue Bleibe.

Perfekter Rahmen
Die Geschichte des Hallenbades Degersheim ist bekannt. Im Jahr 2014 wurde es geschlossen und auch eine Initiative zur Wiedereröffnung scheiterte am Willen der Stimmbevölkerung. In der Folge scheiterte auch der Verkauf der Liegenschaft an einer auf dem Grundstück eingetragenen Dienstbarkeit, welche sich auch durch einen Gerichtsstreit nicht löschen liess. Seither steht es brach, obwohl es grundsätzlich eine sehr attraktive Liegenschaft ist. Wie die Informationsveranstaltung zum BIGNIK gezeigt hat, bietet das leere Becken auch einen interessanten Rahmen, selbst wenn es nicht ums Schwimmen geht.

Von der Hauptstadt nach Degersheim
«Die verworrene Situation rund um das Hallenbad einerseits, aber auch die Ausstrahlung des Raumes liessen mich nicht lange zögern», berichtete Gemeindepräsident Andreas Baumann, weshalb er sich um die Aufnahme der «Zehn Gebote Vol. 2» bewarb. So reichte er nach dem Ende des Gastspiels der Steine in Bern, auf entsprechende Ausschreibung hin, eine Bewerbung um ein Kunstasyl im Hallenbad Degersheim ein. Damit gelang es ihm, die Jury des Museums für Kommunikation zu überzeugen, welche dem Hallenbad Degersheim den Vorzug gegenüber diversen Mitbewerbern gab. «So also kamen die Steine mit ihren zum Nachdenken anregenden Sprüchen aus der Hauptstadt nach Degersheim», erklärte Andreas Baumann.

Vielfältige Botschaft
Für Andreas Baumann hat es eine grosse Bedeutung, dass die Steine nun nach Degersheim gekommen sind. «In erster Linie finde ich es einmal gut, wenn man mit unkonventionellen Thesen angeregt wird, sein Denken und Handeln zu überdenken». Weiter sieht er aber auch ganz viele Anknüpfungspunkte: «Dass die Steintafeln, welche in der grössten Stadt der Schweiz im Wasser versenkt werden sollten, nun auf dem Land im Bassin eines trockengelegten Hallenbades ausgestellt sind, hat eine Tragweite, die weit über den Inhalt des Werkes an sich hinausgeht». Was auf dem Grund der Limmat hätte enden sollen, hat unerwartet eine Wende genommen. Ungewiss ist, was noch kommt. «Dies ist vor allem auch von der Offenheit der Bevölkerung abhängig, welche sich gerne von den künstlerischen Geboten anregen lassen und die Gesichte weiterspinnen darf».

Von der Stadt aufs Land
Von ihrem damaligen Standort im Museum für Kommunikation in Bern wurden die Steintafeln, die je 100kg wiegen, ab dem 8. Mai 2023 zu Fuss mit Sackkarren über das Emmental und das Entlebuch nach Luzern transportiert. Von dort sind sie mit der SOB nach Degersheim gebracht worden. Seit diesem Tag an sind die «Zehn Gebote Vol. 2» im Hallenbad Degersheim rund um die Uhr kostenlos zu besichtigen. Gerne darf das bereicherte Hallenbad dabei auch als Ort zum Verweilen, Nachdenken oder für Gespräche genutzt werden.

Über die Künstler Frank und Patrik Riklin
Die St. Galler Konzeptkünstler gehen in ihrem Atelier für Sonderaufgaben seit 25 Jahren der Frage nach, inwieweit sich das Potential der Kunst erweitert, wenn sie den repräsentativen Rahmen verlässt und direkt in sozial-gesellschaftliche Realitäten eingreift. Frank und Patrik Riklin rütteln an verschiedenen Systemen des Alltags und erschaffen neue Wirklichkeiten. Mit den Werken «Null Stern Hotel / Zero Real Estate» (2008/2016), «BIGNIK» (fortlaufend, seit 2012) und «Fliegen retten in Deppendorf» (2012) haben sie in den vergangenen Jahren internationale Bekanntheit als Konzeptkünstler erreicht.